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*1983 in Braunschweig lives and Work in Berlin/Charlottenburg
Educated: Hochschule für bildende Künste Braunschweig, Diplom Bogomier Ecker
fabiantauscher75@yahoo.de

Gegenstände und Text für 2022
„Ein Abflussrohr vom Boden aus umschließt den Nachthimmel. Beim Durchschauen sehen sie das Drumherum nicht mehr.“ – Fabian Tauscher
Was muss Kunst in Zeiten von Krieg, Corona und Digitalisierung leisten? Virtuelle Rundgänge, Augmented Reality und digitale Bilderflut prägen unseren Alltag – doch wenn wir uns aus dem Digitalen wieder entfernen, wo befinden wir uns dann? Aus welchem Material besteht unsere Umgebung, wie schwer ist der Stoff, wie klingt er? Fragen wir uns bei all unseren Alltagsgegenständen eigentlich, wie sie hergestellt werden? Wie jedes einzelne Teil seine fehlerlose Form erhält? Und sind Abweichungen wirklich Fehler – oder liegt in ihnen nicht eine gewisse Spannung durch neues Planen und Lernen?
Ein 3D-Druck kann heutzutage so gut wie jedes Material in die perfekte Form bringen, darunter auch Aluminium, Edelstahl, Kupfer, Gold, Titan. Die Objekte erhalten immer die gleiche Erscheinungsform – sie stammt aus unserem Rechner, aus einer App, direkt aus dem Drucker. Reststücke, sogenannte Stützstrukturen, dienen als Stabilisierung der Form auf der Platte – Nicht-„User“ wissen aber auch dies nicht einmal. Sie kennen nur das makellose Endprodukt. Es wirkt, als wären diese Produkte unbegrenzt und immer wieder abrufbar.
Das Erlernen eines Handwerks im klassischen Sinne ist für all das nicht nötig – aber wie steht es, wenn wir uns wieder auf ursprüngliche Methoden beziehen? Wie wurden Plastiken zuvor angefertigt, wie wurden die verschiedenen Materialien ursprünglich in Form gebracht? Wie verhält sich der Stoff in seiner Verarbeitung? Egal ob Gebrauchsgegenstand oder Kunstobjekt, es war handwerkliches Können und Verstehen des Materials erforderlich und eine Lehre in Handwerksbereichen so gut wie unabdingbar.
Fabian Tauscher setzt sich in seinen aktuellen Arbeiten mit dem Handwerk der Handformerei, deren Werkzeug und „unerwünschtem“ Beiwerk auseinander. Diese Nebenprodukte sind vom Material und seiner Physik klar gesteuert, sie sind nicht vermeidbar – erzeugen dabei aber verschiedene Formen, denen im Handwerk keinerlei Wert geschenkt wird. Tauscher setzt dieses Geschehen, das unserem nicht-handwerklichen Auge verborgen bleibt, in den Fokus. Durch das ständige Erlernen handwerklicher Prozesse findet er in Balance zwischen Intuition und rationaler Planhaftigkeit seinen Weg zu neuen Ideen und Objekten. Dieser Prozess ist durch die Physik gelenkt, folgt aber keinem verbindlichen Takt. Er befindet sich so immer auf einer Gratwanderung zwischen Planung und Akzeptanz materialer Eigenheiten sowie der Erkundung unbekannter Perspektiven.
Tauschers Kunstprozess und Konzeption verhält sich dabei ähnlich wie Mycelien im Wald, die sich langsam den Weg zum Fruchtbaren suchen und nach außen ihre Fäden ziehen, um so immer wieder andere Wege zu entdecken – der Fruchtkörper wiederum, den sie bilden, ist das für uns sichtbare Ergebnis.
Einer dieser Fruchtkörper ist seine Arbeit Flex mit Lupenglas, in der Tauscher eine Flex, also eine kleine Handkreissäge, die er zuvor mit einem Lupenglas anstelle eines Sägeblatts versehen hat, auf den Boden legt – ein weißes Verlängerungskabel dient dabei als unkonventionelles Podest, das Weiß weckt die Assoziation von antiken klassischen Skulpturen auf einem Marmorsockel. Die Flex kann in der Form zwar ihrem ursprünglichen Nutzen, etwas zu zersägen, wie es ihr Gegenüber erwartet, nicht mehr nachkommen, ist jedoch als Gegenstand in ihrer Eigenheit funktionsfähig. Sie kann mit Strom bedient werden, ist tragbar, drehbar – ein visuelles Werkzeug. Das Verlängerungskabel bietet den Betrachtenden die Möglichkeit, auch selbst nach dem Werkzeug zu greifen, selbst zu forschen, zu vergrößern und dabei mit dem eigenem Auge die Umgebung zu zerlegen.
Ähnlich wie bei der Flex ist bei Arbeiten wie Glocke (Still) das Sichtbarmachen von eigentlich verborgenen Dingen im Fokus. Die kleine Glocke aus Aluminium ist unverputzt und noch fixiert, sie erzeugt also keinen Klang. Erst die Endfertigung würde sie zu einem nutzbaren Objekt machen – dabei wäre aufgrund der Materialwahl ihr Klang nicht mal lieblich, dafür müsste sie aus Bronze oder Porzellan sein. Tauschers Glocke (Still) zeigt mehr den Gegenstand an sich, ohne dabei auf den Nutzen fokussiert zu sein, sie wirkt eher wie ein Experiment, eine Einladung den Gegenstand und das Material neu kennenzulernen: das Aluminium. So unedel es uns erscheint, ist es dennoch praktisch. Es ist leicht an Gewicht und in der Verarbeitung, ebenso in der Wiederverwertung – eine Eigenschaft, auf die auch speziell bei der Plastik Kreislaufmaterial (2022) schon im Namen verwiesen wird. Sie zeigt eine Ansammlung von Reststücken aus der Aluminiumverarbeitung. Diese sind aufgefangen und präsentiert in einer Schale – quasi bereit für die Wiederverwendung, die Wiedereinbettung in einen Kreislauf, bereit für eine neue Runde oder ein neues „Leben“.
Beim Betrachten aktueller Werke des Künstlers steht ein Objekt deutlich im Fokus: Der Formkasten. Formkästen sind Gießereigegenstände und dienen als feste Umrahmung für die Gussformen – sie bilden quasi einen Rahmen für die zu gießenden Objekte.
Schon in diversen Zeichnungen von früher setzt Tauscher sich speziell mit diesen Kästen auseinander – die Zeichnungen sind dabei nicht technisch, wie man es bei Gebrauchsgegenständen erwartet, sondern frei Hand gezeichnet. Verwendet wurden Tinte, silbernes Acryl und Kohle, die Striche leicht expressiv und kräftig aufgetragen. Das verwendete Material lässt die Formen weich erscheinen, beinahe organisch. Die Formkästen, die dazu dienen, dreidimensionale Formen zu erschaffen, werden so zweidimensional auf dem Papier erforscht – ihre Form, Optik und der ursprüngliche Nutzen des abgebildeten Arbeitsgeräts werden dabei ausgeblendet.
Der Fokus liegt auf dem Design: minimalistisch – geometrisch – eigentlich funktional. In den Zeichnungen werden die Kästen aus dieser Funktionalität genommen und in einen künstlerischen Kontext gesetzt.
Schritt für Schritt exploriert Tauscher diese Gegenstände in weiteren Arbeiten, wie zum Beispiel einem schlicht gehaltenen Pappmodel, welches drei Formkästen ineinander gesteckt auf einer zweidimensionalen Fläche zeigt: ausgelegt in einem Pappkarton, um eine Räumlichkeit zu simulieren, oder aufgehängt an einer Wand und somit aus dem modellhaften Schema der Bastelei genommen und als eigenes Objekt präsentiert.
Dabei dient dieses Werk auch als Planungsmodell für eine zukünftige Arbeit, in der Fabian Tauscher drei bis vier der Formkästen großer Dimension ineinanderlegen und sie untrennbar mit Bronze eingießen will. Diese werden anschließend in der Mitte eines Raumes platziert und bieten Einblick in die eigentlich vor den Augen verschlossenen oder gar unbekannten Formkästen. Die Materialität steht dabei ebenfalls im Vordergrund: Bronze ist die erste Legierung, von der Menschen Gebrauch machten, und ist in der Kunstgeschichte klar verankert. Ein Material, wie gemacht für unvergängliche Skulpturen – ja, ein Material, das seit mehreren Tausend Jahren für Kunsthandwerk steht und dem wir heute in unserem Alltag zumindest in Städten regelmäßig begegnen, egal ob in modernen abstrakten Formen oder in alten figurativen Plastiken.
Formkästen sind dabei normalerweise nur Arbeitsmaterial, Beiwerk, welches nur der Funktion nachkommt, eine Rahmung für den Guss zu sein: Ein Negativ, das dazu dient, dem gewünschten zu gießenden Gegenstand die passende Form zu verleihen, und das danach normalerweise zerstört wird – somit wird diesem in der Kunst üblicherweise keine Beachtung geschenkt. In der geplanten Arbeit des Künstlers wird das edle Material direkt in die Formkästen hineingegossen, ein Negativ oder Positiv gibt es nicht – es ist alles Eins. Die Materialwahl wertet die Formkästen auf und entledigt sie ihres eigentlichen Zwecks – sie werden sozusagen befreit und neu interpretiert.
Tauscher arbeitet aber nicht nur mit Plastiken, sondern auch mit Fotografien und Text. So z.B. in der fotografischen Arbeit The negative form of light, the opposite of white: Darin sehen wir spielerisch und beiläufig alle Arbeitsmaterialien neben dem fertigen Schriftstück liegen, das den Satz The negative form of light, the opposite of white in schwarzer Schrift auf weißem Papier trägt, schnell und mit leichter Korrektur aufgemalt. Dunkelheit und Schwarz, eigentlich abstrakte Konzepte fehlender Helligkeit und Farbe, erhalten so eine reale Umschreibung, die mit einfachen Mitteln wie dem Verwenden von schwarzer Farbe auf weißem Grund formal Text und Aussage zusammenbringt um so einen neuen Inhalt entstehen zu lassen. Der Abstraktion wird ein Gesicht gegeben. Die Arbeit wird fotografisch im Format 10×15 cm präsentiert und kann für sich alleine stehen oder ausgestellte Plastiken ergänzen.
Tauschers Arbeiten bilden sich häufig aus Entwicklungsprozessen und Beobachtungen von Abläufen in Handwerk und seinem Umfeld, also in einer Art organischem Netzwerk. Kleine Textabschnitte oder Gedanken werden handschriftlich auf Zetteln niedergeschrieben, gesammelt, beiseitegelegt, bei Bedarf wird darauf zugegriffen, weitergearbeitet, und dann wird es wieder beiseitegelegt – um eventuell zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufblühen zu können. So erarbeitet er regelmäßig neue Formen, stellt verschiedene Bereiche wie Fotografien, Plastiken und Zeichnungen miteinander in Bezug, setzt Dreidimensionales dem Zweidimensionalen gegenüber, erkundet Farben, Materialität und Haptik und setzt ihnen, ob nun separat, eigenständig oder als Ergänzung, Worte bei. Tauscher wendet sich dem Material zu und ist offen für die verschiedenen Prozesse des Handwerks und deren „unerwünschte“ Nebenprodukte, die ebenfalls betrachtenswert und selbst Kunstwerke der Fügung sind.
Dabei soll seine Kunst nicht belehren oder künstlich aufgeblasen werden – sie funktioniert am besten vor Ort, in Kontakt mit Menschen, als eine Brücke zwischen Rezipierenden, Praktizierenden und materiellen Trägern: Wie ein Fruchtkörper, unter dem sich ein viel weiteres Netz an regelmäßiger Praxis, neuen Verbindungen und eigenen Veränderungen befindet – bereit, mit anderen Teilen in einen Austausch zu treten. Kunst muss somit nicht funktionieren und unserem klassischen (westlichen) Anspruch an Brauchbarkeit entsprechen. Sie kann experimentell sein und trotzdem in regelmäßiger Praxis neu entstehen und aufblühen, verschmelzen, ohne dabei verputzt oder geschliffen zu werden.


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